Vom Gehorsam

 

Gebet des hl. Ignatius: "Nimm hin, o Herr, meine ganze Freiheit: Gedächtnis, Verstand, Willen, alles, was ich besitze; DU hast es mir gegeben, zu DIR wende ich es zurück, gib mir nur Deine Liebe und Gnade, das ist mir genug."
Ich möchte mit diesem uns allen bekannten Gebet das Thema "Gehorsam" einleiten. Wir sprechen von den drei Gelübden – warum gerade diese drei (da es doch in der Hl. Schrift noch eine ganze Reihe anderer "Räte" gibt)? Unsere klassischen drei Gelübde drücken alle Bezirke aus, über die der Mensch verfügen kann. Letztlich gibt es aber dann doch wieder nur eine einzige Hingabe, die alles zusammenfasst, was der Mensch hat, um es Gott anzubieten. Da sind wir wieder beim Gebet des hl. Ignatius angekommen und verstehen das bekannte Kirchenlied: Wenn das Weizenkorn in die Erde fällt und stirbt, bringt es reiche Frucht (Joh. 12, 38).

Gehorsam

Immer schon haben Ordensgründer, wenn sie ihre Konstitutionen verfassten, sich besonders eingehend mit dem Gelübde des Gehorsams befasst, Franz von Assisi beispielsweise gebraucht unter allen Ordensgründern den Begriff "Gehorsam" am wenigsten. Er spricht vielmehr, wenn er vom Verhältnis des Obern zum Untergebenen spricht, fast ausschließlich vom Dienen. Er sagt uns auch warum. Im Evangelium, das er lebendig nachzuahmen sich vorgenommen hatte, entdeckte er gerade in Jesus das Urbild des dienenden Gehorsams. Alle großen geistlichen Richtungen sprechen also von Gehorsam. Die Unterschiede liegen im WIE. Alle Christen – nicht nur die in den geistlichen Instituten – kennen den Gehorsam als Glaubensgehorsam, wie er im Philipperbrief (2, 5-8) zum Ausdruck gebracht ist.

Die waagrechte Linie des Gehorsams

Mehr als der einfache Christ steht der Christ im geistlichen Institut in einer Gemeinschaft, die gewillt ist, ein gemeinsames Leben vor Gott und im Dienst der Kirche zu führen. Die Verpflichtung zum Gehorsam besagt also zunächst einmal eine freie, bewusste Eingliederung in diese Gemeinschaft von Menschen, die Jesus im Besonderen nachfolgen wollen.
Diese Verpflichtung kann mehr oder weniger spürbare Einschränkungen mit sich bringen. Wie oft verlangt die Ausrichtung einer Gemeinschaft von jemandem, dass er auf persönliche Möglichkeiten und Ziele verzichtet, um eine Aufgabe oder ein Amt in der Gemeinschaft zu übernehmen. Das Wohl des Ganzen wird dem Wohl des einzelnen übergeordnet. Wir haben zu dieser Anforderung auch entsprechende Punkte in unseren Satzungen. Ich verweise auf die im Abschnitt "Gegenstand unseres Gehorsamsgelübdes" zusammengefassten Punkte (S. 19-20).

Die senkrechte Linie des geistlichen Gehorsams

Die Motivation, sich mit der Ganzheit seines Lebens einer konkreten geistlichen Gemeinschaft einzugliedern, gelingt nur im Blick auf Gott und Jesu Ruf. "Er war gehorsam bis in den Tod", heißt es im vorher zitierten Philipperbrief. Auch hiervon spricht unser Satzungswerk, und zwar im 1. Teil, der mit "Geistlicher Bezug" (S. 18) überschrieben ist. Ich brauche den Gehalt dieses Textes hier nicht zu wiederholen. Wenn man in geistlichen Kreisen oftmals hört (oder gehört hat), man müsse dem Obern/Oberin gehorchen wie Jesus Christus, so ist dies in dieser Verkürzung falsch. Glaubensgehorsam vor Jesus Christus ist nicht gleich Gelübdegehorsam vor dem Vorgesetzten. Im täglichen Geschehen innerhalb der Gemeinschaft spielt sich so etwas wie dienender, selbstloser "Gehorsam" ein, den man ganz einfach mit Höflichkeit, Zuvorkommenheit, Rücksichtnahme, gegenseitige Hilfe, Duldung umschreiben könnte. Man spricht in salesianischen Gemeinschaften öfter vom Liebesgehorsam oder vom freiwilligem Gehorsam den Mitgliedern gegenüber, indem man auf ihre Wünsche einzugehen bereit ist. Es wäre aber verfehlt, diesem freiwilligen Gehorsam das Gewicht eines Gelübdegehorsams zu geben.

Die dritte Dimension des geistlichen Gehorsams

Es war immer schon Brauch, dass sich der seinen Weg suchende Mönch dem Rat und Befehl des erfahrenen Alten, des geistlichen Vaters, unterworfen hat. Dieses Phänomen der geistlichen Führung hat viele Erscheinungsformen aber eine einzige Norm: sie ist (und muss) freiwilllig sein. Hier erinnern wir uns der Praxis und der Empfehlungen des hl. Franz von Sales, der oftmals von der Wichtigkeit eines geistlichen Führers und von der Gnadenhaftigkeit einer gelingenden geistlichen Führung spricht. Seine geniale Praxis entnehmen wir insbesondere seinen Seelenführungsbriefen mit Johanna Franziska von Chantal und vielen anderen Personen seiner Zeit. Auch hier möchte ich es nur bei diesen flüchtigen Andeutungen belassen. Übrigens hat sich das Jahrbuch für Salesianische Studien schon mehrmals mit diesem Thema befasst. Zusammenfassend ließe sich sagen: Geistliche Führung im Sinne der offenen Aussprache, im Vertrauen auf den Rat des anderen (erfahrenen Begleiters), ist für das Mitglied einer geistlichen Gemeinschaft nicht unwichtig, wenn sie auch nicht unmittelbar zum evangelischen Rat des Gehorsams gehört.

Gehorsam - weltlich gelebt

Aus dem oben Gesagten geht zumeist schon hervor, welche Unterschiede es zwischen dem mönchischen und dem Gehorsam in einem Säkularinstitut gibt. Die Entscheidungsfreiheit (und damit auch Eigenverantwortlichkeit) ist sicher erheblich größer als diese bei einem Mitglied mit Vita communis der Fall ist. Doch ist diese größere Freiheit oder Unabhängigkeit nicht grenzenlos und der Gelübdegehorsam nicht beliebig. Unsere Satzungen gehen in eine Richtung, die dem religiösen Gehorsam (gegenüber der religiösen Vorgesetzten) faktisches und moralisches Gewicht beimisst. Im Selbstverständnis unserer Vorgesetzten liegt es, Vertrauen zu den Mitgliedern aufzubauen und auf Grund dieses Vertrauens jene Basis zu schaffen, die tragfähig ist, dass auch einmal ein verpflichtendes Wort oder ein Wort der schwesterlichen Korrektur in Demut angenommen werden kann. ("Seid so gesinnt wie Christus" / "Dient einander, so wie ICH euch gedient habe")

 

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